Rondaregeln alternativ

Wie du auf einer vollen Tanzfläche besser zurechtkommst


Volle - manchmal sehr volle - Tanzflächen gehören zu einem ganz normalen Tangoleben. Da kannst du schon mal an deine Grenzen stoßen. Oder an die des Paares vor dir. Oder hinter dir. Oder wo auch immer du bedrängt wirst. Das kann zum Stress pur ausarten. (siehe http://milongafuehrer.blogspot.com/2018/11/au-weia-tango-tupaja.html)

Ob man räumliche Enge mit noch engeren Regeln lösen kann? Den lautstark als allein-selig-machend verkündeten, berühmt-berüchtigten Ronda-Regeln? (siehe http://milongafuehrer.blogspot.com/2018/11/von-regeln-lasse-ich-mich-lenken.html)

Ich kenne aber einige Tänzer, die kannst du gar nicht rempeln, selbst wenn du es wolltest! Egal, wie beschränkt der Platz ist! Obwohl sie sich nur rudimentär an die Verkehrregeln halten. Wie machen die das? Und müssen sich nur die Männer und Männerinnen im Tango um die Umsetzung unfallfreien Fahrens - äh Tanzens - kümmern?

It takes 2 to tango
Klar, in welche Richtung es geht, bestimmt die Führungsperson. Aber als Folgende hast auch Augen und ein Gefühl für den Raum und die Menschen um euch herum. Dem Partner die volle Verantwortung in die Schuhe zu schieben, finde ich a bissele fies.

Innig in der Umarmung zu versinken, miteinand' in anderen Universen schweben ist eine feine Sach' - aber nicht immer praktikabel. Es gibt halt Anfänger, die ihr Navigationsvermögen erst noch entwickeln, oder Sturköpfe, die auf Teufel komm raus die Schrittfolge aus dem letzten Kurs abarbeiten müssen. Das passiert nicht, um gerade dich zu schikanieren! Kann man nix machen. Das Leben ist so.

Trotz all des guten Willens wird es echt stressig, wenn das Führende nicht nur die Umgebungssituation händeln bzw. füßeln darf, sondern auch noch kompensieren muss, was da an gewaltigen, dem Platz nicht adäquaten Impulsen zurückkommt. Kurz: Wenn man aufpassen muss, dass die Partnerin nicht umfällt, sobald geschwinde Ausweichung und Bremsmanöver nötig werden.

Also Augen auf, Madame, wenn du fühlst, dass dein Führendes nervös wird. 
Du siehst schließlich die andere Seite. Bremse ihn sanft aus, wenn ihr auf den Stehlampen-Eichenbaum zurumpelt. Mach dich einfach schwer. Lockt eine Lücke, nimm dahin ihn mit!

Das darfst du! Auch wenn du als folgende Frau mit einem Mann tanzt! Lass mal dieses tief in weiblichen Hirnen wohnende "Folgen=Unterwerfung=Verantwortung komplett abgeben" für einen Moment weg. Dafür musst du aber auch lernen, "deinen Mann zu stehen" im Tango. Damit meine ich nicht, dass jede Frau auch führen können sollte, sondern einfach entspannt zu stehen und Moves so geschmeidig zu tanzen, dass du in jedem Stadium die Parameter ändern kannst: Länge, Intensität, Energiegehalt, bei Bedarf auch ganz zurücknehmen. Oder einfach mal nichts tun, wenn eine Pause geführt wird. Meiner Meinung nach das Schwierigste im Tango überhaupt.

Bleib entspannt! Ihr wollt schließlich Spaß haben. (Falls nicht, klick den Artikel besser weg. Sonst musst du dich nur ärgern.) Vertraue deinem Gestell samt Gleichgewichtsfähigkeit, dann hast du genug Arbeitsspeicher frei, um mit deiner Aufmerksamkeit beim Partner zu sein UND gleichzeitig zu lauschen, was so alles im Umfeld passiert. Lies bei Bedarf die Serie "Pimp dein Gestell".

Auch deine direkte physische Zugewandheit hilft dem Führenden enorm! Fällst du mit jedem Schritt nach hinten weg, reißt der Kontakt ab, und es muss dich zurückholen oder brutal bremsen. Das kann ganz schön kraftraubend sein und fühlt sich grauselig an. Ich bin wirklich kräftig, aber wenn 90 Kilos an meinen 45 zerren, muss ich mit den Zähnen knirschen und mir verbieten, nicht einfach diskret beiseite zu treten und so zu tun, als wäre ich gar nicht beteiligt. Wenn es eng wird, bleib bitte da! Dein Führendes wird es dir danken. (Auch wenn es mehr als 90 Kilo wiegt.)

Liebe Herrn der Schöpfung, bitte nehmt zur Kenntnis, dass auch Frauen Verantwortung tragen können, manchmal sogar sprechen!
Ob sich das in einem geflüsterten "Obacht" äußert, oder in der Tatsache, dass sie bockt - also einfach um's Verrecken nicht dahin gehen mag, wo du sie haben willst, weil da halt schon einer steht, sei dahingestellt. Also höre ihr bitte zu und akzeptiere die Tatsache, dass du ein lebendiges Wesen mit Bewusstsein im Arm hältst. Erschließt sich dir dieser Ansatz gar nicht, würde ich als Tanzgerät einen Besen empfehlen.

Halte sie sanft (!) im Arm. Sie ist ja schon mit dir auf der Fläche und wird dir nicht davonlaufen. (Falls doch, lass sie ziehen. So wird das eh nix.) Benutze Schraubzwingenähnliches ausschließlich in deiner Werkstatt. Auspressen darfst du Orangen. Frauen nicht! Außenrum ist es doch schon eng genug. Und zusätzlich eingezwängt zu sein erschwert das Atmen (lebenswichtig) und stresst heftig. Dann ist's aus mit der geforderten weiblichen Entspannung von weiter oben im Text.

Es gibt große, lange Frauen mit einer albatrossischen Spannweite. UND es gibt Frauen wie mich. Unter 1 Meter 60. Bitte nimm darauf Rücksicht und passe deine Umarmung entsprechend an. Das macht es beiden leichter. Versprochen!

Eine Zwergin wiegt keine Tonne. Wirklich! Du musst sie nicht anschubsen wie einen Eisenbahnwagon. Und auch schwere Frauen haben Beine und sind wirklich imstande, sich selber zu bewegen. Ein kleiner Impuls genügt, den Rest darf sie selber machen. Dann hat sie auch eine Chance, Moves entsprechend anzupassen und in Balance zu bleiben - siehe oben.

Dafür habe ich für dich, Muchacho, noch ein Zuckerle: Schieb die Frauen-Achsen-Kümmerung aus deinem Problembereich heraus. Dafür ist in erster Linie sie selber zuständig! Gleichgewicht halten lässt sich üben, äh pimpen. Kümmere dich lieber um deine eigene Achse.

Beherzigt ihr diese Vorschläge, ist ein wohliger Tango auf voller Fläche schon viel leichter möglich.

Was ihr sonst noch ganz konkret tun könnt, wenn es stockt:
  •  Cunita (Wiege): dankbare, sehr einfache Platztanzgeschichte, anfängergeeignet
  • eine Pause, in der ihr die Musik sauft oder euch in sie hineinschmiegt wie die Katze in den Sonnenfleck
  • Verzierungen, Scheinschritte (Schrittansätze ohne Gewichtsverlagerung) oder ähnlichen Schabernack (kommt sehr cool!)
  • den freien Platz einnehmen, auch wenn sich dieser in verbotenem Terrain befindet: hinter dir, in der Mitte, in den Ecken oder neben der ausgewiesenen Tanzfläche. (Ignoriere diesen Tipp, wenn Prügel als Strafe anzunehmen sind.)
  • Auf besonders zähgängigen Milongas tanze ich als Führende gerne den anfangs beschriebenen Unanrempelbaren hintendrein. Diese freigeräumte Furche bietet in einem kurzen Zeitfenster Platz, bevor sie wieder zuschwappt.
  • Das auf euch zutanzende Paar durchwinken, warten und euch zugrinsen, winken, spielerisch anknurren oder was auch immer. Spielen ist das Zauberwort! 

Spaß haben ist auch beim Tango möglich!
Du musst die Regeln zwar kennen, um damit zu spielen. Aber Tango ist schließlich Improvisation. Das war schon immer Geschäftsgrundlage.
Und damit ende ich für heut.

Herzliche Grüße,
Manuela 

zum neuen Blog: www.tangofish.de

Kommentare