Im Prinzip Tango


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Was Tango und ausgerechnet Pflege gemeinsam haben?
Ich sehe schon deine hochgezogenen Augenbrauen vor mir:

„Wie kann man nur einen so schöhönen Tanz und schmutzige, schwere Arbeit vergleichen?“

Ganz einfach - indem man es tut!

Bist du bereit für unser Experiment?

Wollen wir probieren, wie sich Pflege anfühlt, wenn wir die Attribute „schmutzig“ und „schwer“ beiseitelegen?
Hab keine Angst vor Begriffen wie „anstrengend“, „anspruchsvoll“, „präsent“ oder „konzentriert“.

In beiden Bereichen verbessern wir die Qualität und steigern die Lust am Tun, indem wir Herz, Hirn und Hand gleichzeitig und -wertig nutzen:
  • Mit dem „Herzen“ lassen wir uns auf unser Gegenüber ein – und lassen es wieder aus.
  • Das „Hirn“ steht für Techniken, Methoden, Erfahrungen verknüpfen, Bewerten und Planung.
  • Die „Hand“ bildet unser Tun ab. 
Nur drüber nachdenken bringt gar nix, ganz in echt „einfach mal machen“ hilft uns in beiden Bereichen.


Ob Tango von der Arbeit lernt oder vice versa ist doch egal, oder?
Und weil Tango und Pflege höchst bodenständig sind, landen wir unverzüglich auf selbigem und beginnen die Betrachtung bei den Füßen:

High Heels vs. Gummi-Clogs

„Bist du nicht eitel?“, fragt mich eine Tangotänzerin. Ich binde mir die Schnürsenkel meiner halbhohen Sneakers (vernünftig, schwarz) mit Doppelknoten fest und grinse. „Doch, sehr sogar. Ich will TANZEN und DABEI gut aussehen.“

Ich habe keine Lust, dass irgendein DING meine Bewegungen einschränkt oder sogar unmöglich macht. Springen mit Stilettos ist gefährlich.

Einige Jahre und Blasenpflasterfamilienpackungen später weiß ich, dass frei bewegliche Zehen guten Stand, in Folge stabile Balance in Aktion ermöglichen.

Dürfen die Füße beim Gehen/Tanzen entspannt über die Zehen abrollen, ermöglichst du deinen Kniegelenken, den Bodenkontakt sanft abzufedern. Die Leisten öffnen sich, die Bewegung beginnt wohlig gefühlt schon in der Taille. So werden deine Schritte mühelos lang und geschmeidig. Die Hand deines Partners auf deinem Rücken spürt deine Schritte und muss nicht mehr auf die Füße gucken: eine feine Art, tänzerisch-körperlich zu kommunizieren. Hochsinnlich!

Lässt du deine Füße laut biomechanischer Stellenbeschreibung arbeiten, danken sie dir mit entspannter Leichtigkeit im ganzen Körper. Das hilft enorm bei Drehungen und versüßt dir sämtlichen Tangospielereien. Konkret für Aficionados im Tangosprech: Ochos, Boleos, Ganchos und sonstigen „...os“. So lässt es sich wohlig über die Fläche schweben.
Und das Lächeln glitzert nicht am Schuh, sondern aus den Augen.

So viel zu meiner „Eitelkeit“.


Die weiße Lederpantolette zieht ihr Näschen nach oben. „Aber ICH habe FERSENRIEMEN“ –
„...den deine Trägerin eh nie nach hinten klappt,“ mümmelt der hellblaue Gummi-Clog. „MICH kann man ABWASCHEN und DESINFIZIEREN.“ Theoretisch. Das rote Preisschild (2,99 €) leuchtet am seitlichen Rand. Die früher endemisch vorkommenden Birkenstöcker wurden nahezu vollständig von der Gummi-Clogs-Familie verdrängt. Sympathisch ist mir keiner davon.

Solche Schuhe fühlen sich an, als würde man mit Eimern an den Füßen durch die Gegend latschen. Cowboyartig breitbeinig, im Passgang – bereit zum Duell in der flirrenden Mittagssonne mit „dem Rückenschmerz“, dem allgegenwärtigen Begleiter Pflegender.

Diesen Zeitgenossen kann ich nicht leiden. Ich mag nicht leiden.
Beim Tangotanzen stört er auch immens.

Aber es gibt ein paar Möglichkeiten, ihm den Auftritt zu versauen:


Die Schuhe

 

Ganz bodenständig und einfach sind ein Paar Schuh', die deine Füße artgerecht arbeiten lassen und deine Bewegungen im ganzen Körper elegant-entspannt unterstützen.

Mein Vater – er war auch Pfleger – nannte seine liebevoll „Stationsschleicher“, erstanden im Italienurlaub: weich besohlte Herrenschnürer, „comme il faut“ – weiß, natürlich echtledern. Im Gesamtbild trotz Pflegerkittel eine schnieke Erscheinung, die so manches Diakonissenherz zum Leuchten brachte. (Aber das nur am Rande, mit der „Arbeitskleidung und ihrer Wirkung“ beschäftigen wir uns ein andermal.)

Ich trage in der Arbeit gerne schwarze Jazzschuhe aus weichem Leder mit durchgehender Gummisohle. In der ambulanten Intensivpflege wird Weiß nicht zwingend verlangt, was mir ganz recht ist: Schwarz „dreckelt“ weniger.

Füße entspannen


Versuche einmal, z.B. bei der Grundpflege ganz bewusst deine Füße zu beobachten:
  • Ziehst du die Zehen nach oben? 
  • Krallst du sie zusammen? 
  • Oder liegen sie locker-flockig im Schuh? 
  • Wo platzierst du das Gewicht, eher auf dem Ballen oder auf der Ferse? Am Außen- oder Innenrand? 
  • Was passiert weiter oben, in Knöcheln und Knien, wenn du guten, entspannten Bodenkontakt spürst? 
  • Lösen sich Spannungen in Beinen und Hüften? 
  • Spürst du, wie dich die langen Röhrenknochen tragen? 
  • Mit erstaunlich wenig Anstrengung?
Deine Füße sind deine Freunde. Die können das schon, wenn man sie lässt.
Erholen in „Teilpause“ samt Energiesparen.

So hast du bald mehr Reserven übrig – im Rest deines Körpers und am Feierabend.


Verwurzeln


Um (uns mit) Patienten in der Schwerkraft zu bewegen, brauchen wir entweder Muckis wie eine Superheld oder Hebel. Diese physikalische Tatsache erlaubt mir Fliegengewicht Menschen im Bett zu drehen, zu lagern etc., die doppelt so schwer daherkommen. In der ambulanten Intensivpflege bin ich nun mal allein mit meinem Klienten.

Die Füße im Boden zu verwurzeln, erlaubt dir, dein eigenes Körpergewicht optimal einzusetzen, wenn du Hebel nutzt. Dann geht alles viel leichter!


Pause


Die oben im Tangoabschnitt beschriebene Leichtigkeit beim fußabrollenden Gehen wirkt hier als entspannende Rückengymnastik. Ganz einfach dadurch, dass die so eingeleiteten Bein- und Beckenbewegungen leichte Drehungen im Brustwirbelbereich auslösen.

Ganz nebenbei vertieft sich die Atmung. Wir werden gelassener, stressresistenter. Ein guter Stand schenkt Balance für die Seele.

Energiesparen, Entspannen und Gymnastik einfach nur beim Gehen – oder für Pflegeleute „Eilen“ – ohne zusätzlichen Zeitaufwand am Feierabend ist doch fein?


Fazit


Highheels vs. Gummi-Clogs?
… and the winner is... ?
Na, das, was drinsteckt in den Schuhen!

Wer hätt's gedacht? Die Füße!

Auch wenn dir deine Füße so weit entfernt scheinen wie Timbuktu, lohnt es sich, ihnen zu lauschen. Dann flüstern sie dir, was sie brauchen und was sie alles können, wenn du sie lässt. (Obacht: „Glitziglänzi-Peeptoes“ oder das Plastikschuh-Preisargument kommen von oben aus dem HIRN!)

Dürfen deine Füße artgerecht gewandet arbeiten, profitiert dein ganzes System: Tango und/oder Pflegearbeit werden leichter, geschmeidiger und schenken (wieder?) Genuss an der Bewegung.


Probier's aus, viel Vergnügen! 

Herzliche Grüße,
Manuela Bößel

zum neuen Blog: www.tangofish.de

Kommentare

  1. Hallo liebe Manu,

    mei – was dir alles einfällt, ist schon wirklich prima!!

    Freu´ mich sehr, wenn wir bald mal wieder miteinander tanzen können – ganz eitel J, in bequemer Kleidung J. Mit diesem Beitrag sprichst du mir natürlich aus der Seele!

    Dein Vergleich zwischen Pflege und Tango ist natürlich ganz besonders. Deine Liebe zum Beruf kann man regelrecht spüren. Deine Patienten können sich wirklich glücklich schätzen.

    Alles Liebe,
    Bettina

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    1. Liebe Bettina,

      danke für die Blumen! Freut mich, wenn ich Dir ein wenig den Tango versüßen kann.

      Liebe Grüße
      Manu

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Aktualisiert am 15.10.19