Seelentröster-Suppe

...oder: "Warum du lieber in den Fettaugen deiner Hühnersuppe nach "Erleuchtung" suchen solltest..."



Kennst du das?

Die Zeit rennt an dir vorbei wie eine hastige Assel auf Speed, markiert laut riechend ihr Revier mit immer neuen ToDos, Aufgaben, Erledigungen? (Versuch mal eine zu fotografieren, dann weißt du, was ich meine.)
Missionen, die auf keinen Fall aufgeschoben werden dürfen, prasseln vom Himmel.
Ein sausendes Tableau, flirrend vor Hektik, garniert mit schweißigen Händen , Herzklopfen und flacher Atmung?
Pfeilartige Anforderungen aus allen Richtungen, die krachend, spritzend im Pausenkaffee landen?
So viele Richtungen weisend, dass du vergisst, wo der Ausgang Richtung Ruhe ist?
Und die eigene Mitte?
Sogar beim Einschlafen, wenn sich eigentlich friedliche Lämmlein niedlich tummeln sollten, hetzen die Gedankenwiesel hurtig im Dauerlauf.

Das stört immens.
Und zwar in allen Situationen, wo du dich mit offenem Herzen auf jemanden einlassen möchtest: ob in der Pflege, beim Therapieren oder beim Tango.
Oder?
Mich schon.

Tangobenutzer, die in ihrem Kopf hektisch Energien verpuffen, mag "der Tango" gar nicht.
Dann bringst die Füß' nicht auf den Boden. Das wohlige Ganzkörper-Fließen in der Musik mit dem Partner funktioniert dann einfach nicht.
Blöd!

Der feine, "weiche" Blick, der dir im therapeutischen Wirken oder der Arbeit in der Pflege die Zwischentöne beleuchtet, schränkt sich tunnelartig ein.
Das spüren deine Patienten. Vielleicht ziehen sie sich misstrauisch zurück, und du kriegst an so einem Tag einfach keinen guten Kontakt.

Nicht mal die Entspannungsmethoden, die du sonst deinen gestressten Klienten empfiehlst, funktionieren!

Meine Rettung ist dann eine Hühnersuppe. 

 

Kein nahrungsmittelähnliches Produkt, sondern eine ehrliche, echte. Kochen und essen. Eine, die in ihren verschiedenen Stadien der Zubereitung bodenständige Gerüche verbreitet und simmernd-singend Nahrung für Leib und Seele verspricht. Und hält.

Dann wird die Seelentröster-Suppe zur Therapie: Manchmal koche ich sie auch für meine Patienten. Selbst wenn du sie über eine Magensonde verabreichst, scheint - neben den Inhaltsstoffen - die hineingekochte Liebe nährend zu wirken.
(Anmerkung zur Gabe über PEG oder Magensonde: Unbedingt vorher durch ein feines Sieb gießen und hinterher gut nachspülen, mit klarem Wasser oder Cola.)

Sauberes "Mise en place" ist zur geruhsamen Vorbereitung höchst wichtig:
So bleibt dir genug Zeit, dich am fröhlichen Schmurgeln und Simmern der Zutaten zu erfreuen.
Die Aufmerksamkeit dabei bindet dich im Hier und Jetzt. Mit ein bissel Glück findest du deine wiedergefundene Erleuchtung in den Fettaugen der Suppe gespiegelt. Der Erleuchtung ist es angeblich egal, wie du sie erlangst.

Und die Ruhe darf wieder in deinem Herzen wohnen. 

Probier's aus!
Wünsche guten Appetit!

*********

Das Rezept für Seelentröster-Suppe:


  • vier Hähnchenschenkel
  • ein Bund Suppengrün (gelbe Rüben, Lauch, ein gutes Stück Sellerie, Pastinake/Petersilienwurzel)
  • eine Zwiebel
  • eine Knoblauchzehe
  • ein gutes Stück Ingwer (etwa daumengroß oder mehr)
  • ein Viertele trockener Weißwein
  • je ein halber Teelöffel:
    • Fenchelkörner
    • Senfkörner
    • Koriander
    • ein paar Wacholderbeeren
  • Salz und Pfeffer 
  • Grünkräuter nach Belieben (Petersilie, Basilikum, Thymian, ...)
  • Olivenöl
  • ca. zwei Liter Wasser 


Für die Ohren  kann ich Pablo Casals empfehlen als Nahrung.
Oder Curt Bois "Ich mache alles mit den Beinen". (Im Rezept verwende ich lieber "Beine" statt einem ganzen Vieh.)

Lieber Vegetarier: Ersetze die Fleischmenge einfach mit Gemüse deiner Wahl (z.B. Fenchel, Kichererbsen, Bohnen, ...)

Hähnchenschenkel waschen und mit Küchenpapier trockentupfen
auf einem Teller bereitlegen

die Arbeitsfläche sorgfältig abwischen

Gemüse und Ingwer klein schneiden, bereitstellen
(außer der Zwiebel und den Knoblauchzehen, die dürfen ganz hinein)

Öl erhitzen (nicht zu heiß, raucht sonst)
Hähnchenschenkel anbraten

Lauch dazu, gut rühren
das restliche Gemüse gruppenweise dazu

Es darf ruhig alles ein bissel anbräunen! (Braun, nicht schwarz!)

den Wein angießen
kurz köcheln lassen
schnuppern

ca. zwei Liter Wasser angießen
Salz und Gewürze dürfen nun auch hinein
auf kleiner Flamme eine Stunde köcheln lassen
zwischendurch rühren, probieren, dran riechen

abschmecken mit vielleicht noch ein bissel Salz und kleingeschnittenen Grünkräutern nach Geschmack.  (NICHT homöopathisch dosiert!)

Servieren!
klassisch mit Brot oder Nudeln.
... oder Maultaschen, Griesnockerl oder Brätstrudel...

Et voilà!
Schmeckt's?

Herzliche Grüße,
Manuela Bößel

zum neuen Blog: www.tangofish.de

Kommentare

  1. Liebe Manu,

    ... darf ich die nächstens bei Dir bestellen?
    Danke für diese kulinarische Köstlichkeit - schon beim Lesen stellt sich "die Mitte" wieder her.

    Liebe Grüße
    Karin

    AntwortenLöschen
  2. ... und weil ich diese Suppe schon genießen durfte, kann ich deren Wirksamkeit voll bestätigen!

    Allerdings bitte ich zu überlegen, ob dieses Blog - wegen der wertvollen Therapieratschläge - weiterhin kostenlos bleiben soll.

    Wenn ja: welch ein Luxus!

    AntwortenLöschen

Kommentar veröffentlichen

Ich freue mich über Gespräche mit echten Menschen, die auch einen Vor- und sogar Nachnamen haben. Du darfst bei "Kommentar schreiben als..." auch ggf. "anonym" wählen, wenn du im Text deinen Namen nennst. Anonyme oder pseudomyme Kommentare werde ich nicht mehr veröffentlichen - ebenso Beiträge, die persönliche Herabsetzungen oder gar Beleidigungen enthalten.
Kommst du mit der Kommentarfunktion nicht zurecht?
Du darfst mir deinen Kommentar auch gerne einfach per E-Mail schicken. Ich stelle ihn für dich unter deinem Namen ein. (post@tangofish.de)
Aktualisiert am 15.10.19