Der Geschmack von Tomaten
Eine Liebeserklärung
Komm, wir spazieren ein wenig durch den Garten:
den SOMMER! schmecken...
Blütenduftende Hochzeitsgewänder
streicheln nackte Haut.
Verliebte Versprechen fliegen durch die Luft.
Zeit, vom Vogelgezwitscher und
den letzten Walderdbeeren zu naschen.
Die Blüten der Ringelblume haben sich
früh am Morgen schon geöffnet:
Die Luft sirrt, erzählt von süßer Hitze und Feuer.
Thymian spitzt die Ohren und zaubert uralte
Geschichten von Sonne, Liebe und Mut herbei.
Das Leben feiert sich selbst: Schwitzend tanzt es,
lustberauscht, in zwingendem Rhythmus.
Tomatenstöcke verteilen ihren kantig strengen
Nachtschattenduft auf der Terrasse -
grüne, bald sonnenleuchtende Kostbarkeiten bildend,
die diesen sirrend-lebendigen Irrsinn in sich bergen.
Bereit zum wohligen Verzehr.
Nicht umsonst nennen sie sich Paradeiser.
... die ersten Tomaten des Sommers!
Welche Sorte magst du am liebsten?
Den Klassiker:
Kugelrund und und knallerot? Etwa so groß wie der Kreis, wenn sich die Spitzen von Daumen und Mittelfinger berühren? Noch sonnenwarm, direkt abgepflückt vom Strauch?
Die Fuchsbandwurmgefahr einfach mal ausnahmsweise ignorierend?
In saubere Achtel geschnitten, mit Salz und Pfeffer auf einem Brotzeitbrettle angerichtet?
Die Winzlinge:
Gelb, rot, orange oder ganz dunkel kommen sie daher. Quietschbunt murmelig laden sie dich ein, im Vorbeigehen zu naschen - einfach süß in Geschmack und Auftreten. Manchmal überraschen fruchtig erfrischende Säurekicks oder erdige Anklänge den Gaumen.
Die Fleischtomate und das Ochsenherz:
Die Sumoringerfraktion! Ein bissel zurückhaltend im Geschmack, dafür groß und fett wie der Kopf einer dicken Katze bieten sie genug Material für feine Saucen oder Raum für Füllungen. In meiner Kindheit, als vegane Ideen die Küchen noch nicht erreicht hatten, ließen sich die Dickwänste gerne mit Fleischsalat füllen.
Die Eiertomate:
Unsere italienischen Freunde lassen sich aufgrund ihrer Form so schön in gleichmäßige Scheiben schneiden und mit Basilikum, Olivenöl und Balsamico als bildhübsche Caprese präsentieren.
Für die finsteren Monate bewahren sie uns ihr flirrendes Sommeraroma im Dosen-Winterquartier. Oder konzentriert auf's Wesentliche als Tomatenmark.
Genug gekostet. Es gibt so viele verschiedene, die können wir hier nicht alle probieren.
Der Geschmack von Tomaten?
Kannst du mir jetzt nach unserer Verkostung konkret sagen, was genau den Geschmack ausmacht, den "Tomate" an's Großhirn meldet? Leider habe ich das - trotz aufwändiger, langjähriger Recherche - noch nicht herausfinden können.
Ähnlich geht es mir, wenn ich versuche, den Geschmack von "Tango" zu definieren.
Schwer zu fassen, diese Nachtschattengewächse...
So sehr sich die Geschmäcker der verschiedenen Sorten auch unterscheiden - sogar die der einzelnen Früchte - noch niemals in meinem ganzen Leben habe ich eine Tomate rufen hören, sie wäre die einzig echte, die einzig wahre!
Trotzdem versucht die transatlantische Ketchup-Convention quasi verfassungsgebend ihr penetrant einseitiges Geschmackserleben zu konsolidieren: z.B. als eingetütelte Beigabe zu Fastfood. Auf dass ein jeder die Seele des Sommers mit den Produkten weltweiter Handelskonzerne in Verbindung bringe.
Auch im Tango versucht einer der Anführer die naturgegebene Vielfalt mit aggressiver Schreibe totzuschlagen: "Tango Voice II: Das Grauen kehrt zurück" Angriff der Killertomate?
Aber wie bei der Herzraten-Variabilität erzeugt Gleichförmigkeit eher Gefahr: Die Lebendigkeit eines Systems nimmt ab, bis es schließlich stillsteht. Dann ist es tot.
Vielleicht sollte Herr Tangovoice regelmäßig mehr echte Tomaten verspeisen: Das enthaltene Lycopin soll helfen, das Schlaganfallrisiko zu vermindern und den Blutdruckdruck zu senken.
Da der Wirkstoff gekocht besser vom Körper verwertbar ist, schenke ich dir (und dem cholerischen Tangosektierer) mein unargentinisches Rezept für die
"Schwiegermutter-Beeindrucker-Tomatensauce".
ergibt ca. 1 Liter (den Rest einfrieren für neblige Zeiten, erhellt Pasta und Gemüt)
ca. 1 kg Tomaten deiner Wahl (Dosentomaten gehen auch)
Olivenöl
2 Knoblauchzehen
1 dicke Zwiebel
1/2 Apfel
... alles kleingeschnitten
1 winzige Prise Zimt
1 Prise Kreuzkümmel
1 Prise Fenchelkörner
1 Glas Wein (süß oder trocken, weiß oder rot, wie's beliebt)
1 "türkische" Portion Petersilie
(d.h. VIEL, mindestens eine gute Handvoll)
1 Esslöffel frische Kräuter (der Anführer: Thymian! Dazu vielleicht Basilikum, Oregano, ... was da ist und mit hinein möchte).
Die klein geschnittenen Zwiebeln im Öl anschwitzen, bis sie dir gelb aus der Pfanne entgegenduften. Die Apfelstückchen dazu geben, rühren, bis sie zerfallen. Mit dem Zimt, Fenchel und Kreuzkümmel würzen. Jetzt unbedingt die aufsteigenden Düfte genießen!
Den Knoblauch kurz mit anrösten. Obacht, wirklich nur kurz, er wird sonst bitter. Mit dem Wein die Röststoffe loskochen.
Dann die Tomaten mit hineinschütten und solange köcheln lassen, bis sich die Zutaten geschmacklich verbunden haben.
Grünkräuter dazu. Vom Herd nehmen.
Wenn du möchtest, pürieren.
Vor dem Servieren evtl. noch jeweils einen Schuss Wein und Olivenöl unterrühren und ab auf die Nudeln!
Lass dir schmecken!
Herzliche Grüße und bis bald,
Manuela Bößel
zum neuen Blog: www.tangofish.de
Quellen / mehr zu diesem Thema:
http://www.carstens-stiftung.de/artikel/nur-fuer-tomatenfreunde.html
http://www.welt.de/gesundheit/article109711719/Tomaten-senken-Schlaganfallrisiko-drastisch.html
Dazu ein kleiner Witz (aus einem Wiener Kabarett): Jemand versucht, ein Kreuzworträtsel zu lösen und sieht als Anweisung: 2 senkrecht: nikotinhaltiges Nachtschattengewächs. Na klar, denkt er: Bardame!
AntwortenLöschen... und du gehst wirklich nackt durch den Garten? Das trauen wir uns nicht einmal ...
Lieber Peter,
Löschenecht?
Ihr traut euch nicht BARFUß in euren Garten?
Sowas, sowas...
Nachtschattige Grüße,
Manu