Pflege-Sprechblasen aus der Teppichetage

Beliebte, häufig verwendete Textbausteine bettferner Mitarbeiter in der Alten- und Krankenpflege - höchst subjektiv gewertet, kommentiert und mit möglichen Antworten garniert! 

Und die gute Nachricht: Das muss so nicht sein!



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Kennst du das?
Du bist zu einer Zeit aufgestanden, als der Mond noch sein Nachtlichtlein fröhlich zur Erde geschickt hat. Hast dein Auto aus dem Schnee gegraben, bist vielleicht mit anderen Frühschichtlern feiertags im Stau gestanden, um die kranke Kollegin zu vertreten. Eigentlich hättest du frei...
In deiner Freizeit recherchierst du medizinische Hintergründe oder weitere pflegerische Maßnahmen, um die Qualität zu optimieren.
Die Arbeit an der Front muss ja erledigt werden: Dein(e) Patient(en) kann man nicht in die Garage schieben und das Tor schließen. The show must go on!

Der Tag läuft soweit ohne Probleme, der Patient ist nicht nur fachgerecht, sondern sogar prima versorgt: Er fühlt sich wohl an Leib und Seele, kein Dekubitus, keine Kontrakturen, keine Infektionen etc. Deinen Kollegen und dir gefällt die Arbeit am Bett. Ihr seid richtig gut darin, habt diverse Fobis, Erfahrung und Fachwissen.

Bis sich ein eigenartiger KONTAKT ergibt - eine Begegnung mit der dritten Art - ob Personaler, Pflegedienstleitung oder ähnliches, ist dabei egal. Die Berufsbezeichnung leuchtet firmenabhängig in englisch oder deutsch auf den hübschen Visitenkärtchen. Die Herrschaften greifen alle in dieselbe Kiste mit wohlformulierten Textbausteinen. Die können sie auswendig hersagen und, wie im Kommunikationsseminar gelernt, mit Betroffenheitsmimik(ry) verbrämen. Manchmal bringen sie - falls sie sich zu einem Ausflug in die Wildnis entschließen - auch Glasmurmeln für die Eingeborenen mit. Oder Kulis oder Bonbons oder so.

Da sich die abgesetzen Wortkonstrukte aus dem operativen Part der Pflege unabhängig von der genauen Stellenbeschreibung gleichen, verzichte ich auf genaue Zuordnung der jeweiligen Berufsgruppe.

Et voilà!

"Machen Sie viele Überstunden? Oh, das tut uns leid. Sie brauchen hier noch mindestens eine Vollkraft! Wir geben das weiter an die Geschäftsleitung!"

Dieser Teppichetagenbewohner weiß ganz genau, wie es um die Personalsituation steht. Die Geschäftsleitung auch - es liegen ja schon einige Überlastungsanzeigen vor. Vor einigen Jahren hast du solche Aussagen naiv-hoffnungsvoll ernst genommen, Ideen entwickelt, Vorschläge gemacht, die potenziellen Gründe diskutiert. Passiert ist wenig bis gar nichts. So sparst du deine Puste, verschwendest maximal ein "Ja!" zum Thema Überstunden und ein "Tun Sie das!" zur Informationsweitergabe. Lieber regelmäßig Briefe an die Geschäftsleitung mit der Bitte um Gehaltserhöhung schicken. Ein meist mehr Erfolg versprechendes Vorgehen.

An eine neue Bewerberin: "Wir machen Ihnen einen schönen Vertrag!"

Dazu kann ich nur sagen: Bevor du unterschreibst...
1. Lies den Vertrag!
2. Lies den Vertrag!
3. Lies den Vertrag!

Kläre den Bruttostundenlohn, die Zuschläge,die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, die Entlohnung im Urlaub und die Zahl der Urlaubstage.

Bei ambulanter Intensivpflege außerdem: Was wird sein, wenn dein Patient ins Krankenhaus muss oder stirbt? Spesen? Übernachtungskosten?

Verlasse dich nicht auf mündliche Versprechungen: Im Ernstfall sind diese unmöglich nachzuweisen. Werden die Punkte nicht schriftlich fixiert, unterschreibe einfach nicht! Die Firma braucht dich dringend. Ich gehe davon aus, dass deine Forderungen nicht unzumutbar sind. Kommt man dir nicht entgegen (schriftlich), gibt es genug andere personalmangelige Pflegeanbieter, bei denen du unter passenderen Bedingungen arbeiten kannst.

Zur Bewerberin: "Natürlich können Sie Ihre Dienste frei gestalten! Natürlich können Sie nur im Nachtdienst arbeiten!"

Nein, kannst du nicht.
Die Dienstplangestaltung liegt in der Verantwortung der Teamleitungen, mit welchen Teppichetagler sich in der Regel nicht absprechen. Die Chefinnen an der Front müssen sich schließlich neben den Neuankömmlingen auch mit den schon vorhandenen Mitarbeitern und deren Verpflichtungen  arrangieren.

Also sprich zuerst - bevor du den Vertrag unterschreibst - mit der Teamleitung und kläre, ob du den Anforderungen für besagte Stelle wenigstens teilweise entsprechen kannst und/oder willst. Fast immer findet sich ein Kompromiss. Teamleiterinnen sind erfahrungsgemäß offen und ehrlich, was die Arbeitsbelastung betrifft.

Den bestehenden Teams ist es meistens lieber, ein frühes, klares "Nein, geht nicht" zu hören, als neue Kollegen zuerst sorgfältig einzuarbeiten, auf Entlastung zu hoffen und dann im letzten Moment doch wieder einspringen zu müssen, wenn der/die Neue enttäuscht entschwindet.

Zur Teamleitung nach dem Bewerbungsgespräch mit Wunschdienstplanversprechen: "Man muss gute Pflegekräfte doch halten!"

Ja! Alles andere wäre ungeschickt, wenn nicht sogar dumm, will man eine Versorgung/Station am Laufen halten. Zur Gruppe der "guten Pflegekräfte" gehören allerdings auch diejenigen, die seit Monaten unter immenser Überstundenbelastung den Laden schmeißen. DIE sind es wert, gehalten zu werden. Sie haben ihre Motivation ja schon bewiesen. Die Neue (noch) nicht.
 
"Wir bemühen uns nach Kräften, die vakante Stelle zu besetzen."

Hübsche, sehr oft verwendete, höchst beliebte Floskel. Nimm sie einfach als solche. Lächle wissend, nicke - wenn's geht - demütig.

Frage auf keinen Fall nach: Du wirst weder herausfinden, wer mit "wir" gemeint ist, noch welche konkreten Maßnahmen eingeleitet wurden. Das geht dich doch nix an! Du bist doch nur eine kleine Krankenschwester oder ein doofer Altenpfleger! Das machen doch Marketingspezialisten! Und das Recruiting-Assessment! Dein Wissen um die örtliche Mentalität, verwendete Medien in der Zielgruppe, Bedingungen bei anderen Pflegeunternehmen ist doch irrelevant!

"Hier in der Gegend ist die Konkurrenz an Pflegeanbietern enorm! Da bekommt man ganz schlecht Personal!"

Streiche gedanklich "hier in der Gegend". Es gibt überall Pflege-Firmen, die höhere Stundenlöhne zahlen. Dafür wird dort an Zuschlägen gespart, oder wo auch immer.
Der Markt sowie die ortsüblichen Löhne sind den Damen und Herrn von droben genauestens bekannt. Trotzdem wäre es für deine Gehaltsverhandlungen sinnvoll, den ortsüblichen Tarif einer Putzfrau zu kennen.

"Natürlich bekommen Sie einen Springer!"

Reinrassige Beschwichtigungsrhetorik! Ihr beide wisst doch ganz genau, dass keine Springer zur Verfügung stehen. Kurzfristig schon gar nicht. Springen wirst am Ende schon du selber oder eine deiner Kolleginnen, zähneknirschend. Habt es ja bisher auch gemacht. Geht doch! Wieso sollte da Handlungsbedarf bestehen?
Rechne einfach damit, dass der Springer im letzten Moment abspringt. Das erspart dir Frust.
Deine Erfahrungswerte bezüglich abgesprungener Springer werden rhetorisch absaufen. Schreib lieber einen Brief an die Geschäftsleitung mit der Bitte um Gehaltserhöhung.

"Wir bemühen uns nach Kräften, bei Ausfällen zeitnah für einen Ersatz zu sorgen." 

In der ambulanten Intensivpflege bedeutet das: Nimm dir immer soviel zu essen mit, dass es gegebenenfalls auch für zwei Dienste am Stück reicht. Auch die beste Personaldisponentin kann keinen Ersatz aus dem Hut ziehen nach dem alten Zauberer-Motto: "Wenn du was aus dem Ärmel holen willst, musst du zuerst was reintun!"

"Sie können doch Ihre Kollegen nicht im Stich lassen!"

"Ach, keine Oma? Kein Ehemann? Da müssen Sie schon einen Plan B haben! Einen 9-Jährigen kann man doch schon mal nachts alleine lassen, er schläft doch eh. Nein? Dann bringen Sie Ihr Kind doch einfach mit..." 

Wer lässt hier wen im Stich?
Du deine Kollegen oder dein Arbeitgeber dich?
Es ist nicht dein Job, für eine ausreichende Personaldecke zu sorgen. Dafür werden andere bezahlt (Marketingabteilung, Personaler etc.).

Wen musst du im Stich lassen? Dich selber? Essen, schlafen, Zahnarzttermin? Dein Kind? Etwa dein eigenes Geschäft? Weswegen du nur Teilzeit arbeitest?

Natürlich hält das Team zusammen. Oft genug ist jeder schon eingesprungen, wenn's brennt. Aber es besteht ein deutlicher Unterschied zwischen Kollegialität und Leibeigenschaft!
Kündigung schreiben hilft nur bedingt: In den anderen Firmen läuft es ähnlich. Aber vielleicht kannst du so eine Lohnerhöhung anbahnen.

"Dann müssen Sie den neuen Kollegen halt sorgfältiger einarbeiten!"

Erkläre dem Teppichüberflieger den Unterschied zwischen "Ausbildung" und "Einarbeitung". Soll der neue Kollege eigenverantwortllich arbeiten, muss zumindest eine Chance bestehen, dass er das auch schafft. Äußere deine Bedenken sachlich und nachdrücklich, bestehe gegebenenfalls auf Versetzung des Mitarbeiters - zum Wohle des Teams und deines/deiner Patienten. Nicht alle Neueinsteiger (können) wissen, worauf sie sich einlassen.

"Die Aufbewahrung für die Tablettenschächtelchen ist staubig.
Die neuen Vorgaben vom MDK sind eben so.
Ziele in der Pflegeplanung müssen genau terminiert werden usw."

Nicken, lächeln, Debatte vermeiden. Einfach so machen.
Auch PDLs haben ihre Aufgaben. Und für kleine Machtdemonstrationen an der Front eigenen sich solche Ansagen hervorragend. Also nicken (wenn möglich demütig) und die Anforderungen halt umsetzen. Du musst keinen Sinn darin sehen. Der PDL verlässt den Ort des Geschehens sicher bald - frohgemut - und du kannst wieder in Ruhe arbeiten.
Dann folgt zuverlässig ein Fleißbildchen und der Textbaustein: "Wir wollen doch alle eine gute Bewertung."

An den Patienten: "Wir müssen schon kontrollieren, dass die Schwestern nicht Ihre Tabletten essen!"

Würde mein Automechaniker verkünden, er müsse kontrollieren, dass seine Angestellten keine Schrauben aus meinem Auto klauen, würde ich die Werkstatt wechseln. Was für ein Laden ist das dann?


"In den jetzigen Zeiten wird alles zum Pfleger ausgebildet, was nicht bei drei auf dem Baum ist. Deswegen muss firmenseitig ein Recruiting Assessment vorgeschaltet werden, um die schlimmsten Bewerber vorab auszufiltern."

Klingt ohne Insiderwissen nachvollziehbar - auch ein hübsches Beispiel für Worthülsen, die an der Realität vorbeirollen wie ein Dornbusch in der Wüste. Die Teppichetageler wissen ganz genau, wo die hochqualifizierten Pflegekräfte sind: gut bezahlt angestellt oder freiberuflich. Entsprechende Anreize zum Wechsel können leider nicht geboten werden (siehe nächste Sprechblase), so dass eine Filterung vorab entfiele. Diskussion zwecklos, da bedingungslos von der Geschäftsführung eingenordet.

"Man kann die Pflege aus einem humanitären oder kaufmännischen Blickwinkel betrachten!"

Sozialromantik ist ein feines Hobby. Leider akzeptieren weder mein Vermieter noch der Discounter meines Vertrauens Idealismus als Zahlungsmittel. Auch "Pflegeleuten am Bett" darf man zutrauen, ihre erbrachten Leistungen unter kaufmännischen Gesichtspunkten zu betrachten.

"Die Krankenkassen zahlen immer weniger!"

Würden mit dem Verkauf von pflegerischen Leistungen nicht die Kassen klingeln, hätten dann nicht schon mehr Firmeninhaber die Branche gewechselt? Ich habe gehört, Pferdewetten wären einträglich.


"Der Mensch ist Mittelpunkt!" 
Mein persönlicher Favorit.


Der Mensch ist Mittel. Punkt!


Herzliche Grüße und bis bald,
Manuela Bößel

zum neuen Blog: www.tangofish.de

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