Schwarz und Weiß und das dazwischen



Über erleuchtete Regelbewahrer, die Tango-Pozilei, die Angst vor dem MdK und was es außerhalb von Klischees alles zu entdecken gibt
„Meistens schauen wir nicht erst und definieren dann, wir definieren erst und schauen dann.“ Walter Lippmann: Die öffentliche Meinung (Public Opinion) 1922.[3]

Schwarz wie Ebenholz? DER TANGO


Primäre Assoziationswolken zum Tango zeigen meist schwarzhaarige Damen mit netzbestrumpften, highheelbewehrten Beinen, die mit melancholischem Blick und einem schneidigen Latin Lover engumschlungen durch erotikknisternde Dämmerung schweben. Schwarz gewandet natürlich.
Am Straßenrand in kniehohem Bodennebel sitzt ein alternder Bandoneonspieler auf einem Klappstuhl, Tränen der Sehnsucht in den Augen, eine langstielige Rose quer zwischen den Zähnen. In die Sichel des Mondes schmiegt sich schnurrend ein räudiger Kater.

„Vertikaler Ausdruck horizontaler Absichten“ und „ein trauriger Gedanke, den man tanzen kann“ sind Zitate, die tausendfach wiederholt werden. Wissenschaftliche, kulturhistorische und philosophische Betrachtungen des Phänomens „Tango“ gibt es zuhauf.

Hübsch marketingtaugliche Klischees ebenso, die inzwischen von Vertretern der "Tangopozilei" als die einzig reine Wahrheit, als der (!) Standard (!) dargestellt und massiv verteidigt werden.  
So erleuchtet und rein und persilweiß.
Und die seltenen "Erst Schauer - dann Definierer"- Tangoistas sollen sich doch bitteschön (!) zurückziehen aus der "definierten Tangowelt" und die Gosch'n halten, auf dass kein Neuling mit bösen Ideen infiltriert werde.
Helfen die Belehrungen nicht, werden die Revoluzzer gnadenlos abgestraft: Herabsetzungen, persönliche Beleidigungen, Ausschluss.

Beispiel gefällig?
http://milongafuehrer.blogspot.de/2015/11/von-der-feinsinnigkeit-traditioneller.html

Meine Erfahrung als „Tangouser“ ergänzt diese Bilder mit Eindrücken aus "freier" Wildbahn: Mitbürger Ü50 bis Ü70 in karierten Funktionshemden, die sich gemächlich zu lauer Käsethekenmusik bewegen, können genauso desillusionieren wie pfauenradschlagende Ü30-er, die den Tango lediglich als schmückendes Beiwerk zur Brautschau nutzen.

Verzweifeltes Schwitzen, wenn sich das gewünschte Tangogefühl nicht einstellen mag, und Fluchen auf den inneren Schweinehund, der am Verbesserungswunsch der eigenen Technik nagt.

"Wo sind die Geigen hin? Koa Cello schluchzt, koa Bratsch'n woant...

... I brauch mein Kitsch, jawoll!" 

(Konstantin Wecker)

Mit himmelblauen Valses dich trotzig lachend wieder ins Gleichgewicht tanzen, zu weinenden Geigen und  Dickermännergesang mit viel Schmalz gemeinsam improvisieren, in piazzollische Paralleluniversen entschweben, prickelnde Lebenslust in alle Körperzellen hineintanken, Bewegungen, die sich so zart anfühlen wie der Hauch von erstem Schnee, das Blitzen der Seele im Auge deines Gegenübers...
Tröstlich - denn auch das schenkt dir der Tango.

"Mein Tango" wohnt irgendwo dazwischen, manchmal über sich selber lachend, gewürzt mit dem gesamten funkelnden emotionalen Spektrum, welches das Leben ausmacht. Jedes Mal neu und anders daherkommend, lässt er mich noch immer staunen.



Eigentlich ist alles ganz einfach: 

Zwei Menschen kommunizieren tanzend, in Umarmung gerahmt von Musik. Kein Schritt ist vorgegeben. Der Tango schenkt die Form, die beide dann sinnlich und emotional füllen.

Ein weites Feld, wenn du erst schaust und dann beschreibst, was du alles gefunden hast. Verlass dich nicht auf vorgefertigte Definitionen! Die schränken nur deinen Blickwinkel ein und schließen dich von so mancher Erfahrung einfach aus.

Der Tango lebt im Augenblick, wenn du bereit ist, dich auf ihn einzulassen. Und schon schmeckt der Tango nach Bitterschokolade mit Schlagobers (oder Leberwurstbrot).

Dann zünde ich ein Kerzlein an, dem Schicksal dankend, dass ich nicht auf die "Tangopozilei" gehört hab', und gewisse Schutzzonen vehement verteidigt werden.


So weiß (und kalt) wie Schnee? DIE PFLEGE



Ähnliche Tendenzen beobachte ich in der Pflege und im schulmedizinischen Bereich:
Standards definieren heute meist Einzelprobleme des Patienten. Vorgegebene "Einzel-Schritte", für die ein bestimmtes Zeit- und Geldbudget festgelegt wurde, werden einzeln geplant, dokumentiert, evaluiert, überwacht.

Fehlerfähnchen auf der Landkarte Mensch.
Fein definiert.
Angeschaut, ob richtig dokumentiert und evaluiert.
Dann abgearbeitet.
Fertig.

Und die Stellen dazwischen?

War da nicht noch was? 

 

  • Den ganzen Menschen sehen? 
  • In seinem Umfeld? 
  • Mit seiner ganz eigenen Geschichte? 
  • Mit seinen Abneigungen und Vorlieben? 
  • Mit seiner seelischen Verfassung, jetzt im Moment? 
  • So - entschuldige den vielfach gefledderten Begriff - ganzheitlich? 

Auch hier übernehmen die Regelbewahrer langsam aber sicher das Feld: weißbekittelte "Tangopozilisten", das QM-Schild hochhaltend. Kotau vor dem MdK. Disziplinierungsmaßnahmen sind schlechte Bewertungen, gerne auch öffentlich. Oder noch mehr sinnlose Tätigkeiten, die mit der eigentlichen Pflege wenig zu tun haben. Vorgaben, die einzuhalten sind.

"Fummelpflegende", die Nestbeschmutzer mit ganzheitlichem Ansatz und Gedankentum werden abqualifiziert als realitätsferne Sozialromantiker. Das wäre ja nicht bezahlbar! Das könne Pflege heute nicht leisten! Bei dem Personalmangel!

Ist das so?
Warum soll das so sein? 

Trotz allem, es gibt sie noch, die Biotope, in denen richtig gutes, ganzheitliches Arbeiten möglich ist: z.B. in der ambulanten Intensivpflege, im palliativen Bereich oder in privatgebuchten Versorgungen.

Das Spektrum der Möglichkeiten in der Pflege ist so weit, so erstaunlich vielfältig, wenn du dir erlaubst, mit dem Herzen zu schauen. So kommt wieder Bewegung ins Leben deines Patienten - in Leib und Seele.

Dann findest sogar Lebensfreude, wo du sie auf keinen Fall vermutet hättest. Das ist bestens für's Immunssystem! Der Parasympathikus darf wieder mitspielen: er beruhigt das Herz und bringt Appetit und Verdauung in Gang. Die vertiefte Atmung verweigert der auf der Schwelle stehenden Pneumonie den Zutritt und verbessert die Gemütslage.

Tröstlich - denn auch so kann Pflege sein.


So rot wie Blut und bunt! 

Vorschläge zum Entdecken, Erforschen und Genießen der Töne zwischen schwarz und weiß:

  • Wirf die Regelvorgabenschablonenscheuklappen-Brille in den Müll!
  • Schau selber!
  • Weite deinen Blick und deinen Geist!
  • Der liebe Gott hat dir ein eigenes Hirn zum Denken gegeben. Dann benutz' es auch, vor allem, bevor du unreflektiert Vorgaben abnickst!

Viel Vergnügen!

Herzliche Grüße und bis bald,
Manuela Bößel

P.S. "Tango-Pozilei" gehört so und ist kein Tippfehler!


Nachtrag am  8. Mai 2016

Du magst mich naiv nennen, aber solch' heftige Reaktionen auf diesen an sich harmlosen (so dachte ich) Artikel hätte ich nicht erwartet. Hui!
Hier findest du die Zusammenfassung der Ereignisse der letzten Tage: Was passiert, wenn du den Menschen zutraust oder gar zumutest, ihr eigenes Hirn zu nutzen...
http://milongafuehrer.blogspot.de/2016/05/einfach-abschalten.html
http://milongafuehrer.blogspot.de/2016/05/doppel-selfie.html
http://milongafuehrer.blogspot.de/2016/05/ceterum-censeo.html

Danke an Yokoito:


... und an all' die anderen!

Nachtrag am 17. Januar 2017 

Postfaktische Zeiten?
Die Administratorinnen der Facebook-Gruppe "Tango München" haben heute um Löschung ihrer Namen in Gerhard Riedls Artikel http://milongafuehrer.blogspot.de/2016/05/einfach-abschalten.html gebeten...

zum neuen Blog: www.tangofish.de

Kommentare

  1. Danke und wenn du uns auch besuchen magst http://tan-do.net/atango/ und ganz liebe Grüße aus Wien .... ich glaube, daß wir noch voneinander hören... du sprichst mir aus der Seele !!! Alessandra

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    1. Liebe Alessandra,
      dankeschön! Aber ganz bestimmt hören wir noch voneinander. Freu' mich immer über Menschen, die mehr als Schwarz und Weiß sehen können und vor allem möchten. Und das auch noch Genießen!
      Herzliche Grüße nach Wien,
      Manuela

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  2. das ist - vereinfacht gesagt - liebe manuela, ein schuss in die falsche richtung. die regeln, die du in frage stellst, wurden geschaffen, weil es in den milongas im mutterland des tango extrem eng zugeht. da ist nicht einmal ein halber quadratmeter platz für jedes tanzpaar. da ist ein (für alle) angenehmes tanzen, das nicht in eine saalschlägerei ausarten soll, nur dann möglich, wenn sich ALLE an diese regeln halten. da kann die/der folgende die/der augen schließen und sich (hoffentlich) darauf verlassen, dass die/der führende seine sache gut macht. der/die hat die/der (schluss jetzt!!!) anderen paare im auge und passt seine/ihre (schluss jetzt!!!!!) führung den bewegungen des "gesamtkunstwerkes" milonga an. ein einziger "fremdkörper" in dieser "massenbewegung" hat auswirkungen auf die gesamte ronda und sorgt für unruhe, die nur deshalb nicht in chaos ausartet, weil zum glück alle anderen führenden nach kräften versuchen, den "regelverstoß" auszugleichen, das heißt ihr tanzen auf den einen fremdkörper einzustellen.

    aber schon dieser eine fremdkörper schmälert den genuss der "traditionellen" tanguerixe (ehrlich, so soll man jetzt genderneutral tangotanzende frauen, männer und alle 27 anderen freiwillig angenommen geschlechtsidentitäten bezeichnen). schon zwei, drei "fremdkörper" bringen den angenehmen tanzfluss auf der engen milonga komplett zum erliegen. in argentinien, wo niemand sich erdreisten würde, von einer tangopolizei zu reden, werden diese "fremdkörper" angemahnt und dann erst mehr und dann weniger höflich aussortiert. früher gab es dort in allen tanzlokalen abschließbare compartemente, in denen der (damals wirklich nur DER) führende seine hieb-, stich- und schusswaffen deponieren musste, um die häufigen, aus wiederholten regelverstößen resultierenden auseinandersetzungen überlebbar zu gestalten.

    in buenos aires gibt es - viele deutsche tangotänzer werden überrascht sein - deutlich mehr gute tänzer als in deutschland. deshalb sind wir hierzulande schon in einer mäßig vollen ronda ziemlich am anschlag unseres tänzerischen vermögens (zumal deutsche tangoschulen lieber figuren lehren, statt soziales tanzen). die regeln, die für eine proppe-volle milonga in buenos aires unerlässlich sind, sind deshalb zwischen garmisch und kiel schon bei halbvollen tanzsälen notwendig.

    es gibt nun starke argumente dafür, das verhältnis zwischen führung und folgen etwas aufzulockern und es dem tanguerix zu überlassen, wie es auf die führungsimpulse reagieren möchte - aber auf einer traditionellen milonga funktioniert es nicht, wenn das folgende die pläne der/s führenden konterkariert, zumindest nicht ohne die massive beeinträchtigung der mehrheit. traditionalisten würden nicht auf eine neolonga gehen und sich darüber aufregen, dass dort ein tango getanzt wird, der nicht ihren vorstellungen vom ideal entspricht. aber diese traditionalisten sehen sich auf ihren milongas ständig mit extrovertierten nonkonformisten konfrontiert, die sich über ein "obsoletes" regelverhalten beklagen. warum muss das sein? die fußballer vom fc wiesharde gehen doch auch nicht zum training der sg handewitt und beklagen sich darüber, dass die handballer darauf bestehen, den ball nur mit der hand zu werfen. es sind einfach zwei verschiedene sportarten und sollten deshalb in verschiedenen veranstaltungen ausgeübt werden.

    ps: den merkwürdigen selbstdarsteller gerhard riedl als beispiel für irgendeinen trend oder irgendein mehrheitstaugliches tangoverständnis zu zitieren, ist ein eingeständnis eigener argumentationsschwäche.

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  3. Lieber Joachim Beck,

    Ich stimme mit dir absolut überein, dass es auf einer engen, vollen Milonga essentiell wichtig ist, auf die anderen Tanzenden zu achten. Was mir einen Teil der Milonga-Lebenslust darstellt.

    Aus meiner Erfahrung in beiden Rollen (Führen und Folgen) kann ich nur bestätigen, dass es auf einer quietschvollen Tanzfläche mit guten Tangoleuten
    wesentlich einfacher ist, als auf einer halbvollen mit mit eher mediokren Tänzern.

    Auch das "Verhältnis zwischen Führen und Folgen etwas aufzulockern" oder sogar einfach mal die Führung zu wechseln, kann hierbei sehr hilfreich sein, wenn man das kann: derjenige oder diejenige, der/die im Moment den besseren Überblick hat,führt. Ganz einfach ;)

    Allerdings sind dafür keine festgeklopften "Regeln" zum Auswendig hersagen notwendig, lediglich eine gesunde situative Orientierung (die drei anderen -
    Orientierung zur Person, Ort und Zeit nicht zwingend), vielleicht noch ein bissele Respekt
    und Anstand.

    Regeln zu brechen nur um des Regelbrechens willen, finde ich fad. Regeln zu hinterfragen scheint mir weitaus reizvoller. Und okay, manche sind ja gar nicht so schlecht: "Vor dem Essen, nach dem Klo: Händewaschen sowieso!"

    In Argentinien - ja, ich gebe es offen zu - war ich noch nie. In meinen 16 Tangojahren wurde ich noch keinen einziges Mal wegen ungebührlichen Tanzens "angemahnt" oder gar rausgeworfen. Mein geliebtes Taschenmesser musste ich auch noch nie abgeben. Scheint doch zu funktionieren: Irgendwie könnte mein Verhalten doch größtenteils sozial verträglich bewertet sein, auch wenn ich mir trotzdem hin und wieder erlaube, mir eigenartig wirkende Regeln in Frage zu stellen. (Und deren Quellen. Und deren Kundtuer. Und so.)
    Veranstaltungen, deren Vorgaben ich nicht abnicken kann und möchte, meide ich strikt.

    Meine "Argumentationsschwäche" vermag ich leider nicht zu erkennen, ich schildere lediglich Beobachtungen im "Milieu".

    Schon ein paar Mal habe ich erlebt, dass Traditionalisten auf einer (so ausgeschriebenen)
    "Neolonga" empört "einmal einen richtigen Tango" vom DJ forderten.
    Und umgekehrt?
    Tauchen auf den Tradi-Milongas und Encuentros wirklich so bedrohlich viele "extrovertierte nonkonformisten" auf?
    Was passiert mit denen? Anpflocken? Pranger? Platzverweis?
    Wie wird sichergestellt, dass die draußen bleiben, um die vielbeschworene Harmonie zu wahren? (Das meine ich echt nicht ironisch, bin wirklich interessiert. Bitte gönne mir Einblicke.)

    Hochinteressant finde ich, dass der "Fremdkörper"-Mechanismus aus deinem Kommentar auf mich wirkt, wie die körperliche Reaktion auf das Eindringen eines pathologischen Agens: Das "Immunsystem" puffert den "Fremdkörper" ab?
    Wäre der Eindringling wirklich (lebensbedrohlich) "böse" - also infektiös (bakteriell/viral), könnte das schon eine sinnvolle Maßnahme sein: Phagozytieren oder Einkesseln in zähes Sekret und abhusten oder ähnliches.

    Aber bei Überreaktion auf etwas an sich harmloses in ganz kleiner Zahl könnte sich daraus eine
    Allergie entwickeln...
    ...auf die Dauer für das System schwer zu händeln, denn dann ist es selber krank und benötigt Hilfe.

    Mit besten Grüßen
    Manuela

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  4. Lieber Joachim Beck,

    darf man Formulierungen wie „ein einziger ‚fremdkörper‘ in dieser ‚massenbewegung‘" als totalitär bezeichnen? Ist man sich eigentlich klar, mit welch gefährlichem Vokabular man hier spielt?

    Von den „Verhältnissen in Buenos Aires“ habe ich nun schon Dutzende Geschichten vernommen, die sich zum großen Teil gewaltig widersprechen. Wird halt darauf ankommen, welche Milongas man mit welcher Einstellung besucht, wie bei uns auch. Vielleicht ist die Welt dort gar ebenso bunt wie hierzulande? Ich finde, man sollte auch beim Tango die ständigen Berufungen auf Tradition, Koran und Mekka durch eigene Gedanken ersetzen.

    Natürlich wird jeder, der noch die meisten Latten am Zaun hat, auf einer vollen Tanzfläche seine Bewegungen einschränken. Eine dauerhafte Lösung sehe ich allerdings nicht in mehr Regeln, sondern im Besuch von Veranstaltungen, bei denen es genügend Platz gibt. Daher meide ich die einschlägigen Großevents mit Tango-Show, Empanadas sowie Kleider- und Schuhverkauf – ebenso wie überfüllte Fußballstadien, in denen sich die „Massenbewegung“ so richtig austobt…

    Aber jeder nach seinem Geschmack! Wie man an deinem FB-Profilbild sieht, schätzt du ja durchaus auch einmal etwas mehr Platz, um auf drei Quadratmetern den „sterbenden Schwan“ zu geben, oder? Aber das ist natürlich keine Selbstdarstellung – Gott bewahre…

    Und sind die deutschen Tänzer wirklich so schlecht, dass man schon auf halbvollen Milongas Trippelschritte benötigt? Wenn, dann vielleicht deshalb, weil man die tänzerische Entwicklung durch langweilige Museumsmusik behindert und so ein Publikum anzieht, das schon zwei Meter von einem anderen Paar entfernt nervös wird und nach Regeln schreit.

    Und übrigens hat die UNESCO weder den traditionellen Tango noch den Neotango zum Weltkulturerbe erhoben, sondern eine Musik, einen Tanz und eine Dichtung, welche sich immer wieder neuen Umständen und Zeiten anpasst (so sinngemäß die Begründung dieser Organisation). Und diese elende Spalterei geht nicht von den fortschrittlicheren Kräften im Tango aus.

    Es tröstet mich ein wenig, dass du ja offenbar nicht überall so regelkonform eingestellt bist. Als Sprach-Aficionado kann ich dennoch nicht verschweigen, dass es im Deutschen für überfüllte Zeilen einen Código namens „Groß- und Kleinschreibung“ gibt, damit der Leser nicht in Verwirrung kommt…

    Beste Grüße
    Gerhard Riedl

    P.S. Noch ist es übrigens bei uns nicht nur erlaubt, sondern manchmal sogar erwünscht und schon gar kein Zeichen von Schwäche, Meinungen zu zitieren, die nicht einer (gefühlten) Mehrheit entsprechen. Nicht nur türkische Staatspräsidenten müssen das zur Kenntnis nehmen!

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  5. Hallo Manuela,

    wunderschöner Text! Herzlichen Glückwunsch! Ich bin auch der Ansicht, dass "denke und fühle selbst" ein gutes Motto ist. Zum Glück leben wir in einem freiheitlichen Land, wo wir tanzen können, wie wir wollen.

    Liebe Grüße

    Annette

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    1. Liebe Annette,

      danke für die Blumen! Wenn ich mir deine Playlists anschau', drängt sich bei mir der Verdacht - nein, die Gewissheit - auf, dass du sehr genau weißt, liebe Kennerin, WIEVIEL (!) zwischen Schwarz und Weiß passt :)

      ... und dem Schicksal sein Dank, dass wir hier außer nach Gusto zu tanzen noch ganz andere Sachen dürfen: eine eigene Meinung haben zum Beispiel. Was für ein Luxus!

      Herzliche Grüße,
      Manuela

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  6. Robert Wachinger10. Mai 2016 um 17:56

    Hallo Manuela,

    schöner Artikel.
    Aber es gibt da halt die Diskrepanz zwischen den einen, die meinen "das muß doch mit ein bisserl Einfühlungsvermögen und Menschenverstand jedem doch von selber klar sein" und den anderen, die glauben, daß alles möglichst deutlich geregelt zu sein hat, und Verstösse streng geahndet gehören.

    Ich schwanke manchmal, ob die "anderen" in gewisser Weise nicht doch ein klitzekleines bisschen recht haben (so angesichts mancher "Rowdy"s). Nun ja.
    Allerdings glaube ich auch, daß so manche Menschen Regeln als "festen Halt" benötigen(!), und niemals verstehen werden, daß andere diesbezgl. freier sein können (und ich befürchte, daß das sogar die Mehrheit sein könnte :-( )


    Liebe Grüsse,
    Robert

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    1. Lieber Robert,

      dankeschön!

      Meiner Erfahrung nach benehmen sich die "Rowdys" auch mit Verhaltensmaßregellisten auch nicht "besser":

      Wenn ich z.B. mit einer kleinen Tänzerin auf dem Parkett bin - gerade auf "geregelten Milongas" - muss ich mich manchmal aufblasen wie ein Ochsenfrosch. Trotzdem werden wir dann manchmal schlicht übersehen, bzw. übergangen (im wörtkichen Sinne). Da muss ich aufpassen wie ein "Haftlmacher", unter "Stromabnehmer-Ellbogen" durchtanzen oder geschwind, fast artistische Ausweichmanöver hinlegen, dass meiner Tanzpartnerin nix passiert.

      ... und ich "befürchte..." nicht nur, "...dass das sogar die Mehrheit sein könnte"... das FÜRCHTE ich - ehrlich besorgt.

      Herzliche Grüße,
      Manu

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  7. Liebe Manu,
    die Kommentare zu Deinem Beitrag (der mir sehr gefallen hat ) erinnern mich an einen schwäbischen Witz: zwei Verlobte sitzen einander gegenüber an einem Tisch. Sie schauen sich 30 Minuten verliebt in die Augen... Dann berührt der Mann die Frau mit seinem Fuß zart am Knöchel... Nach weiteren zehn Minuten sagt er:" Heut bin ich aber wieder frech, gell?"...a propos, kennst Du die schwäbische Hochzeitsnacht ? (Ein Witz, den uns ein Kemptener Tanzlehrer vor Urzeiten erzählt hat)... Sie: " Au!"..............Er:"sooodele" ....................Er:"jeeetzedle".......... In diesem Sinne: Bitte weitere Beiträge! Ich lese Deinen Blog einfach zu gerne! Liebste Grüße Lydia

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    1. Liebe Lydia,

      danke!

      Frech sein ist (fast) immer gut. Jeder nach seinen Möglichkeiten ;)

      Bis bald einmal im richtigen Leben!

      Herzliche Grüße,
      Manu

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Aktualisiert am 15.10.19