Pablo will Schamane sein

Sacada-Erleuchtung hausgemacht

Elfefant * Manuela Bößel


Ganz käsig kommt Pablo zurück vom Klo.
"Was ist denn los?"

"Musst du dich immer über mich lustig machen?"
Seine Unterlippe zittert. Aber nur ganz leicht.
"Wieso?"
Ich bin wirklich ratlos, da ich mir verkniffen habe, auch nur eine einzige lästerliche Zeile zu schreiben über sein letztwöchiges "Schamanisches Tango-Retreat: Löse deine Blockaden! Erfolgreich! Glücklich! Sexy! (Für Tango-User und Tango-Lehrende").
"Das neue Bild im Bad! Der rosarote Elfefant!"
Den Kaffee packe ich wieder weg und brühe lieber Holunderblütentee auf. Der erdet.

Der "Gemälde" entstand vor vielen Jahren - damals, als Pablo noch nicht in meinem Leben aufgetaucht war - in dieser eigenartigen Rosaphase, die mir peinlich war, da künstlerisch wenig wertvoll. Deswegen hatte ich das kindische Vieh eingekellert und vergessen. Gestern bei einer Kellerdingsfindeaktion (Rollos) ist er mir auf die Füße gefallen. Als eigentlich ganz charmant neubewertet, darf er nun in meinem Bad wohnen. Außerdem passt das Blau hervorragend zu den Fliesen.

"Das", er fuchtelt Richtung Bad, "ist MEIN anderweltig zugewiesenes Krafttier! Woher zum Geier weißt DU das schon wieder?" Ich schiele möglichst unauffällig zum Schwarzkatzenbild. Katze posiert unbeweglich im Rahmen. Brav.

Beim Schamanen-Seminar hätten die übrigen Teilnehmer ganz stolz von ihren Krafttieren erzählt, die während der angeleiteten "Reise(n) in die Unterwelt(en)" aufgetaucht wären: weißer Wolf, Eule, Falke, Löwe, Rabe etc. Allesamt passend zum Tipi-an-Lagerfeuer-Ambiente. Pablo vernuschelte den Elfefanten so gekonnt, dass seine postmenopausistische Sitznachbarin ehrfürchtig "Wow! Ganesha!" hauchte und ihm eine Hand auf's Knie legte. Da hat er lieber nicht weitererzählt.

"Echt peinlich! Soll ich in so einer hochspirituellen Runde zugeben, dass mein sogenanntes 'Krafttier' auf mich zuschwebt mit seinen albernen Seifenblasenflügelchen? Mir mit Bally Prells(!) Stimme  eröffnet, dass ich sein vom Schicksal zugeteilter 'Kraftmensch' bin? Dass ich ihm hinfort rund um die Uhr zur Verfügung stehen muss? Und ihm zu helfen habe? Dabei wollte ICH doch ein magisches Helferwesen buchen, das mir über meine Tangoblockaden hinweghilft..."

Darum hat er auch viel länger gebraucht als die anderen, um wieder in der Jetzt-Welt, also der Realität, aufzutauchen, was saftige Zusatzgebühren nach sich zog. Der Einsatz spezieller Fähigkeiten für den Besitzer des Krafttiers/Kraftmenschen musste ja quasi doppelt geklärt werden, was allerdings nicht zufriedenstellend gelang: Pablo liefert Tangozauber, der Elfefant wollte sich da nicht so recht festlegen. Aber immerhin könne er fliegen! Und sei schon ganz zufrieden mit Pablo als Begleiter: Der Elfefant benutzte angeblich das Wort "schneidig".

Jetzt wohnt das Vieh bei ihm, frisst seinen Kühlschrank leer und benutzt sein Edeldeo. Mit den Sacadas (eine spezielle Tangotechnik: Einsteiger mit folgendem Wirbelbein) kommt Pablo trotzdem nicht besser zurecht als vorher.

"Und weißt du was das Oberpeinlichste war? In der nächsten Visualisierungsübungsreise wurde ein Tisch beschrieben, auf dem je ein Seelengeschenk zur Mitnahme für uns Schamanen-Debütanten bereitliegen sollte. Die Souvenirs meiner Kollegen reichten von 'Kristallflacon [mit Flüssigkeit, opaque/perlmuttweiß]' über 'Fledermaus-Gewand [Unsichtbarkeitsumhang mit Flugfunktion, reine Seide]' bis 'Zauberstab [Fairtrade, handgeschnitzt, Edelsteine eingearbeitet, respektive adlerbefedert]'..."

"Und deines?"
"Brotzeitbox. Rosa. Plastik!"
"Ist doch praktisch?!"
"Aber nicht spirituell!"
"Dafür kannst Salamibrot reintun."

"Jetzt lachst mich schon wieder aus! Wie immer! Dein Spott verfolgt mich überall hin! Du hast echt Haare auf den Zähnen! Sogar dort in der Anderwelt musst mir nachspionieren in deinem Daheimrumgewand, deiner blöden Tatort-Tasse und diesem BLICK!"
"Wieso ich? DU bist doch am Sonntag in meinem Tatort aufgetaucht! Tür aufgerissen, über die schöne Leich' gestolpert, völlige Drehbuch-Themaverfehlung! Total daneben und sinnlos!"
Der Tatort ist mir heilig, Störungen währenddessen toleriere ich ganz schlecht. Jetzt brauche ICH einen großen Schluck Holunderblütentee zur gefälligen Erdung.
Wir funkeln uns an und schweigen stinksauer.

Ich knalle das Brozeitbrettle, beladen mit Salami, Butter und Brot, auf den Tisch. (Nur, weil gerade Zeit ist. Nicht, weil ich nett bin.) Und eine BIO-Gurke. "Achtsamer hab ich's nicht!"

"Hast du das aufgelegt? Das ist doch 'Barracuda'? Danke vielmals! So ein richtig fieser Raubfisch wär' präsentabler gewesen als Krafttier! Reib's mir nur hin!"
"Kann ich was dafür, dass du dir MEINEN Elfefanten hinvisualisierst? Das ganze Beutelschneider-Spektakel mitmachst mit deinen ach-so-spirituellen-Mit-Schamanen, voll unachtsam einfach mein Motiv klaust und mich dann auch noch anmotzt?"
Er säbelt sich ein dickes Radl Wurst ab.
"Schmeckt's? Warst du nicht mal Vegetarier?"

Pablo packt noch kauend den Wurstbrotrest in seine rosa Tupperdose, schnürt sich die Tanzschuhe, und ich nagle die Gurke mit dem Messer in's Brettle wie Luther seinen berühmten Zettel an die Tür. Das Bio-Aufpapperl treffe ich leider nicht sauber.
"Lieber am Lagerfeuer rumliegen und vor sich hin träumen statt ÜBEN! Esoterische Problem-Sacada-Lösung! Hah! Mit deiner rosaroten 'Schönheitkönigin von Schneitzlreuth, so ein Massel, ach geh!"
(Wieso läuft Barracuda auf meinem Rechner eigentlich in Schleife?)
"Werden wir ja sehen, ob meine Reise in die Unterwelt was gebracht hat!"
Die Mini-Feder in seinem Dutt bebt.

Er baut sich vor mir auf in Tangohaltung, vertut keine Zeit mit seinem üblichen Achtsamkeits-Abrazo-Ritual und startet sofort mit Doppelschritt hinein ins gekreuzte System - hebelt mein Bein aus, und nimmt den Impuls mit in Drehung. Auf meinem Fliesenboden glitzert seine Medialuna noch nach, als er zur zweiten und dritten und noch vielen weiteren Sacadaversionen ansetzt. Hui!

Dann wechseln wir die Rollen, bevor unsere Aggressionen abflauen. Und siehe da! Es klappt! Auch dann noch als wir "nur" noch schwelgen, während Lidia Borda und Ariel Ardit als Ablöse singen. (Ich muss unbedingt schauen, was mit meinem Computer los ist...)

Da wandelt sich die Wut auf zauberhafte Weise in Entschlossenheit! Das reicht! Cool! Damit funktioniert's! Ist DAS die magische Sacada-Zutat? Und hätten wir dafür die ganzen Umwege gebraucht? Ich hab mal gelesen, der Erleuchtung wäre es egal, wie sie erlangt wird. Wahrscheinlich hat sie kein Problem mit Salami, Elfefanten und Plastikboxen. Oder doch? Alles nur Einbildung, Wunschtraum, herbeigeträumelt?

Die Musik schweigt und wir sitzen durchgeschwitzt auf dem Sofa.
"Duhu?"
"Hm?"
"Alles nicht so einfach, gell?"
"Gibt's in Argentinien eigentlich Elfefanten? Die hätten echt schöne Tangostimmen..."
"Keine Ahnung. Zur Zeit übt er Sowas. Da ist es zum Tango nimmer weit.


Herzliche Grüße,
Manuela 

zum neuen Blog: www.tangofish.de

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