Bewegungsbild: Flügel gegen Schildkrötenpanzer tauschen



Kennst du das "Schildkröten-Gefühl"?

Dein oberer Rücken macht sich panzerstarr, sperrt deine Schultern ein in enges Gefängnis. Beleidigt krümmt sich deine Halswirbelsäule unter das vermeintlich schützende Dach.

Deine Vorderseite scheint geschrumpft: kein Raum für befreiende Atemzüge. Deine Bauchdecke mumpft sich zusammen wie ein auf 60 Grad gewaschener Kaschmirpulli.

Die Arme mühen sich ratlos, müssen sie doch gegen den betonierten Schultergürtel arbeiten, der gestern noch so schön flexibel war.

Sogar dein Hinterteil spielt mit, brettlhart schränkt es deine Schrittlänge ein und stört deine Statik bis in die Füße.

Und dein Herz schmollt eingepfercht und mag keinen Sonnenschein in deine Seele lassen.


Hast du schon mal eine Schildkröte umarmt?

Schildkröten können nicht Tango tanzen, auch wenn sie es manchmal versuchen. Körperlicher Kontakt und ein offenes Gemüt sind auch nicht ihre Stärke.

Für liebevolle Arbeit als Therapeut oder in der Pflege sind sie nicht zu gebrauchen.

Als Gewand für unsere Patienten taugt der Schildkötenpanzer gewiss nicht.

Soviel zum Bewegungsbild "Schildkröte".


Wie Bewegungsbilder wirken

Gefühle entstehen im Körper.

Das Hirn kann nicht fühlen. Es registriert und interpretiert die gefühlten Meldungen und löst passend erscheinende Reaktionen aus.

Unser Schildkrötengefühl zum Beispiel interpretiert der Verstand als Angst.

So setzt er erstmal vegetative Reaktionen in Gang, um dem angstauslösenden Trigger zu entkommen: Die erhöhte Muskelspannung soll Flucht, Angriff oder "Todesstarre" ermöglichen. Totes Futter finden Säbelzahntiger erfahrungsgemäß weniger lecker.

Die rationale Einschätzung von oben dauert. Bis die Bewertung "Da ist nix Lebensbedrohliches, alles gut" abgeschlossen und in die leibliche Peripherie abgeschickt wird, hat die Verkrampfung oft genug Zeit, sich häuslich einzurichten. Dann geht der Kreislauf wieder von vorne los.

Eine elegante Möglichkeit einzugreifen, ist, das auslösende Bild zu verändern. Als Illustratorin kann ich dir versichern, dass du wirklich jedes Bild bearbeiten kannst: farblich anpassen, retuschieren, beleuchten, was auch immer. Oder du zeichnest dir ein neues, wohligeres.

Mit allen Sinnen!
Wie es dir gefällt!
Alles ist erlaubt!
Hauptsache, es fühlt sich gut an!


Sammle so viele wie möglich als Vorrat.
Welches funktioniert, ist stimmungs- und tagesabhängig.


Hochpraktisch finde ich allgemeinere Begriffe wie "das Meer" oder


Flügel für Leib und Seele

  •     Schließ' für einen Moment die Augen.
  •     Greife in die Schatzkiste und such' dir ein Paar Flügel aus. Augen zulassen!
  •     Befestige die Flügel am Rücken, ungefähr an den inneren Kanten deines Schulterblatts.
  •     Was spürst du? Fühlst du das Gewicht deiner Flügel?
  •     Flattere ein bissel. Augen noch zulassen!
  •     Was hörst du?
  •     Breite deine Schwingen aus.
  •     Schnuppere! Welcher Geruch entfaltet sich?
  •     Jetzt darfst du gucken. Schau über die Schulter oder in einen Spiegel. (Darfst auch ein Selfie machen, wenn's sein muss.)


Welches Modell hast du ausgewählt zum Verkosten?


...die schwer-fedrig, bodenlange Friedhofsengelsversion in melancholischem Schwarzweiß? Angeblich wurde das Gurren der Friedhofstauben ins Gerüst eingewoben...


...flitzeschnelle Kolibrigeräte? Mit nektarsüßer Leichtigkeit?


...die hautige Fledermausversion? Lautlos im Augenwinkel vollmondiger Nacht?


...die trickfilmgrünen Stummel vom kleinen Drachen Grisu, der Feuerwehrmann werden wollte?


...schamanische Adlerschwingen? Um von weit droben ganz in Ruh' die Welt zu betrachten?


...hübsch aus Sockenwolle gehäkelte? Die nach den Plätzchen deiner Großmutter duften, mit einem Hauch Tosca?


...die Superhelden-Manga-Geräte? Chromglänzend, mit allerhand technischen Spielereien und Schießfunktion?


...laubgesägte, fein lackierte Balsaholzflügel, die für dein Modellflugzeug gedacht waren?


 ...oder den Klassiker "Schmetterling"? Der so prachtvoll trübe Gedankengespenster mit Lebensfarben bestäubt?


Oder ganz was anderes?

Dein Unterbewusstsein wird dir das genau für dich in diesem Moment passende Bild liefern. Und wenn es dir nicht gefällt, spiele damit, bis es sich richtig gut anfühlt.


Bleibe ein bisschen in der geflügelten Vorstellung, bewege dich darin, lass sie wirken.


Vielleicht magst du die Schwingen ausbreiten oder sogar fliegen?

Egal, welches Modell du gewählt hast und ob dein Hirn hinsichtlich der Flugtauglichkeit Bedenken anmeldet. In der Fantasie geht alles!

Spürst du wie...

  •     der Schildkrötenpanzer dünner wird?
  •     du leichter wirst?
  •     deine Schultern honiggleich schmelzen?
  •     sich die Halswirbelsäule zur natürlichen Länge entfaltet, so lockerleicht den Kopf balancieren darf?
  •     deine Schulterblätter sanft gleiten?
  •     die Geschmeidigkeit warm den Rücken hinabperlt?
  •     die Schatten im Gemüt fortgewedelt werden?
  •     sich dein Herz wieder wohlig in Atemzüge schmiegt?




Flügel lassen sich schön klein zusammenfalten.Oder du lässt nach Gebrauch einfach die Luft raus, ja nach Modell.Für's Handtäschle eignen sie sich auf jeden Fall besser als der unkommode Schildkrötenpanzer.

Trag deine Flügel des Tages bei der Arbeit und/oder beim Tango. Außer dir sieht sie ja keiner...
Viel Vergnügen beim Durchprobieren! Welche hast du gewählt?

Herzliche Grüße,
Manuela Bößel

zum neuen Blog: www.tangofish.de

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